Pilgern

1. Das Wort "Pilgern"
1.1. Wortdefinition von Pilgern und Wallfahren
1.2. Wortbedeutung von Pilgern
3. Der Pilger
3.1. Der Mensch: ein Pilger
3.2. Das Volk des Alten Bundes: pilgerndes Volk
3.3. Das Volk des Neuen Bundes: in Pilgerschaft
3.4. Die Kirche: die Pilgerin
3.5. Der einzelne als Christ: der Pilger
4. Das Pilgern
4.1. Weg: Bild der Pilgerschaft
4.2. Weg: Unterwegssein
4.2.1. Beschluss: Festlegung, dass ...
4.2.2. Hoffnung: Planen
4.2.3. Beginn: Aufbruch
4.2.4. Drinnen: Unterwegs auf dem Weg
4.2.5. Erreichen: Zielort
4.2.6. Abschied: Rückkehr in die Welt
4.2.7. Gedächtnis: Aus der Erfahrung leben
4.3. Radpilgern

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1. Das Wort "Pilgern"

1.1. Wortdefinition von Pilgern und Wallfahren

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Herkunft des Wortes:

Im lateinischen "peregrinus" für fremd, ausländisch, nicht seßhaft, "peregrina,-ae" für Fremde/r, Nichtbürger/in, "peregrinare, -o" durchwandern, "peregrinari,-or" in der Fremde weilen, sich als Fremdling aufhalten, "peregrinari a" ist fern weilen von, "peregrinatio" ist Aufenthalt im Ausland, Wanderung und "peregre" als Adverb ist im Ausland, in der Fremde.

Gegen Ende der Völkerwanderungszeit, also z. Z. der Väter bekommt "peregrinari", / "preregrinatio" auch die Bedeutung von Wallfahren und pilgern

Im Italienischen wandelt sich das Wort zu "pelegrinare", im Englischen zu "pilgrim"

Wallfahrt

Herkunft des Wortes:

Mittelhochdeutsch heißt es "wallen", althochdeutsch "wallon", altenglisch "weallian" und bedeutet wandern, umherschweifen, reisen, von Ort zu Ort ziehen.

Im 13. Jhd. wird "vallevart" gesprochen meist im Sinne von Pilgern.

Im 16. Jhd. wird "wallfahren" gebraucht, weil die Fortbewegung nun auch Mittel wie Schiff und Kutsche gebrauchen kann. Hier nimmt das Wort vollends die Bedeutung von Pilgern an.

Siehe auch http://home.t-online.de/home/jakobuspilger/gast3.htm

1.2. Wortbedeutung von Pilgern

Pilgern bedeutet heute: ohne Besitz und Bleibe in dieser Welt sein, an einem Ziel ankommen, das außerhalb der Alltagswelt ist.

So ist das Ziel der Himmel, , der himmlische Ort als Abbild des Himmels, der Grabesort des Idols als Ort des Entrückung.

Wallfahrt bedeutet zu einem Ort sich begeben, wo der Mensch Hilfe und Stärkung und Gottverbundenheit erleben kann.

3. Der Pilger

3.1. der Mensch

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Der Mensch ist in seiner tiefsten Seele mit Sehnsucht erfüllt, Sehnsucht nach Erfüllung, Trost Hilfe für das Leben und Erlösung.

Bei einem religiösen Menschen ist dies auf den Punkt gebracht in Gott. "Unruhig ist mein Herz, bis es Ruhe findet in dir o Gott" (Augustinus zu Beginn seiner Bekenntnisse). Dieses Gottesbild kann allerdings ganz verschieden sein: von Weltschöpfer über Welterhalter zum Erlöser, von Kosmische Urkraft über Superman und persönlicher Geist zu Harmonieschaffer.

Geht der Mensch dieser Sehnsucht nach, begibt er auf den Weg, will seinen Alltag für neue Erfahrungen zeitweise verlassen, will göttliche Kräfte zeitweise besonders dicht aufnehmen. Daher begibt er sich zeitweise und wiederkehrend zu einem Ort und Zustand der heilbringenden Kraft.

3.2. Das Volk des Alten Bundes

Das Israelitische Volk war auf dem Weg zum verheißenen, gelobten Land. So folgte Abraham der Weisung Gottes auf dem dorthin, die Söhne Jakobs führten das Volk zur Errettung aus der Hungersnot nach Ägypten, Moses führte durch die Wüste wieder aus der Todesnot wieder heimwärts in das Land, wo Milch und Honig fließen. Große Gestalten prägte das Volk: Der in mühsam sich einkämpfende und schießlich in Jerusalem einziehende David. Der wandernde Prophet Elia, der wandernde und fliehende Prophet Jona, der in die Fremde ziehende Tobias. Fast alle Figuren des Alten Testamentes sind auf Wegen unterwegs.
Und als das Volk in verheißenen Lande war, begab es ich jährlich auf Pilgerschaft zum Gottesberg Zion in Jerusalem, bis es auf Zwangspilgerschaft in die Fremde geführt wurde. Wieder zurückgekehrt in verheißene Land pilgerte es wieder hinauf zum Tempel Gottes auf dem Zion. Suchte es aber sein Heil an einem anderen heiligen Ort, kam Unheil über das Volk. So in der Zeit des Bürgerkrieges der Makkabäer, und zuletzt, als Jerusalem zerstört wurde und die Juden in der Welt zerstreut wurden. So haben sie die Sehnsucht, wenigstens einmal im Leben am Tempelberg Zion Pascha, Vorübergang des HERRN, feiern zu können.

3.3. Das Volk des Neuen Bundes

Maria und Josef sind auf der Wanderung, als sie das Heil auf die Erde bringen, Jesus verkündete auf der Wanderung durch Israel seine Frohbotschaft und sein Reich, die Apostel ziehen mit Jesus, nach Jesu Tod in die weite Welt hinaus.
Gott ist anzubeten "in Geist und Wahrheit", so Jesus Christus (Joh 4, 21-24). Doch bald gab es Vorbilder, die Meister der Anbetung in Geist und Wahrheit waren: die das ganze Leben und das Lebensende als Gebet in Geist und Wahrheit verwirklichten. Diese wurden dann in Verehrung aufgesucht, und so begab sich der Christ ab dem 4. Jhd. wieder zu heiligen Orten, nämlich ihren Gräbern.
Aber weil diese Vorbilder sind, sind sie auch Fürsprecher auf dem Weg zur ewigen Anbetung im Geist und in der Wahrheit, im himmlischen Jerusalem nach dem irdischen Leben des Christen. So weiß der Christ, dass sein Weilen auf der Erde nur Gaststatus ist, nur Durchgang ist, sein ewiges Sein wird das Wohnen im himmlischen Jerusalem sein.

3.4. Die Kirche Pilgfkl.gif (29995 Byte)

Die gesamten Bischöfe der katholischen Kirche haben 1962 bis 1965 im Zweiten Vatikanischen Konzil die Kirche Jesu Christi in ihrem Wesen als Pilgerin gesehen:

So im Dokument über die Liturgie (8): ". In der irdischen Liturgie nehmen wir vorauskostend an jener himmlischen Liturgie teil, die in der heiligen Stadt Jerusalem gefeiert wird, zu der wir pilgernd unterwegs sind, wo Christus sitzt zur Rechten Gottes, der Diener des Heiligtums und des wahren Zeltes."

Ebenso im Dokument über die Kirche (6): "Solange aber die Kirche hier auf Erden in Pilgerschaft fern vom Herrn lebt (vgl. 2 Kor 5,6), weiß sie sich in der Fremde, so dass sie sucht und sinnt nach dem, was oben ist, wo Christus zur Rechten des Vaters sitzt, wo das Leben der Kirche mit Christus in Gott verborgen ist, bis sie mit ihrem Bräutigam vereint in Herrlichkeit erscheint (vgl. Kol 3,1-4)."
(
7): "Solange wir auf Erden in Pilgerschaft sind und in Bedrängnis und Verfolgung ihm auf seinem Weg nachgehen, werden wir - gleichwie der Leib zum Haupt gehört - in sein Leiden hineingenommen; wir leiden mit ihm, um so mit ihm verherrlicht zu werden (vgl. Röm 8,17)".
(8): "Die Kirche ‚schreitet zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf ihrem Pilgerweg dahin‘ (Augustinus) und verkündet das Kreuz und den Tod des Herrn, bis er wiederkommt (vgl. 1 Kor 11,26)."
(14): "Den katholischen Gläubigen wendet die Heilige Synode besonders ihre Aufmerksamkeit zu. Gestützt auf die Heilige Schrift und die Tradition, lehrt sie, dass diese pilgernde Kirche zum Heile notwendig sei."
(21): "Durch ihre [der Bischöfe] Weisheit und Umsicht endlich lenkt und ordnet er [der Herr Jesus Christus, der Hohepriester] das Volk des Neuen Bundes auf seiner Pilgerschaft zur ewigen Seligkeit."

Im 7. Kapitel des Dokumentes mit dem Titel "Der endzeitliche Charakter der pilgernden Kirche und ihre Einheit mit der himmlischen Kirche" finden sich folgende Stellen: (48): "Bis es aber einen neuen Himmel und eine neue Erde gibt, in denen die Gerechtigkeit wohnt (vgl. 2 Petr 3,13), trägt die pilgernde Kirche in ihren Sakramenten und Einrichtungen, die noch zu dieser Weltzeit gehören, die Gestalt dieser Welt, die vergeht, und zählt selbst so zu der Schöpfung, die bis jetzt noch seufzt und in Wehen liegt und die Offenbarung der Kinder Gottes erwartet (vgl. Röm 8,19-22)."
Und: "‘Solange wir im Leibe sind, pilgern wir ferne vom Herrn‘ (2 Kor 5,6), und im Besitz der Erstlinge des Geistes seufzen wir in uns (vgl. Röm 8,23) und wünschen mit Christus zu sein (vgl. Phil 1,23)".
(49): "Bis also der Herr kommt in seiner Majestät und alle Engel mit ihm (vgl. Mt 25,31) und nach der Vernichtung des Todes ihm alles unterworfen sein wird (vgl. 1 Kor 15,26-27), pilgern die einen von seinen Jüngern auf Erden, die andern sind aus diesem Leben geschieden und werden gereinigt, wieder andere sind verherrlicht und schauen klar den dreieinen Gott selbst, wie er ist."
und: "Die Einheit der Erdenpilger mit den Brüdern, die im Frieden Christi entschlafen sind, hört keineswegs auf, wird vielmehr nach dem beständigen Glauben der Kirche gestärkt durch die Mitteilung geistlicher Güter. Dadurch nämlich, dass die Seligen inniger mit Christus vereint sind, festigen sie die ganze Kirche stärker in der Heiligkeit, erhöhen die Würde des Gottesdienstes, den sie auf Erden Gott darbringt, und tragen auf vielfältige Weise zum weiteren Aufbau der Kirche bei (vgl. 1 Kor 12,12-27) Denn in die Heimat aufgenommen und dem Herrn gegenwärtig (vgl. 2 Kor 5,8), hören sie nicht auf, durch ihn, mit ihm und in ihm beim Vater für uns Fürbitte einzulegen, indem sie die Verdienste darbringen, die sie durch den einen Mittler zwischen Gott und den Menschen, Christus Jesus (vgl, 1 Tim 2,5), auf Erden erworben haben, zur Zeit, da sie in allem dem Herrn dienten und für seinen Leib, die Kirche, in ihrem Fleisch ergänzten, was an den Leiden Christi noch fehlt (vgl. Kol 1,24) Durch ihre brüderliche Sorge also findet unsere Schwachheit reichste Hilfe."
(50): "Aus der tiefen Anerkennung dieser Gemeinschaft des ganzen mystischen Leibes Jesu Christi hat die pilgernde Kirche seit den Anfängen der christlichen Religion das Gedächtnis der Verstorbenen mit großer Ehrfurcht gepflegt und hat auch Fürbitten für sie dargebracht, "weil es ein heiliger und heilsamer Gedanke ist, für die Verstorbenen zu beten, damit sie von ihren Sünden erlöst werden" (2 Makk 12,46).
Und: "Denn wie die christliche Gemeinschaft unter den Erdenpilgern uns näher zu Christus bringt, so verbindet auch die Gemeinschaft mit den Heiligen uns mit Christus, von dem als Quelle und Haupt jegliche Gnade und das Leben des Gottesvolkes selbst ausgehen."
(58): "So ging auch die selige Jungfrau [und Gottesmutter Maria] den Pilgerweg des Glaubens.
(62): "In ihrer mütterlichen Liebe trägt sie [Maria] Sorge für die Brüder ihres Sohnes [Jesus], die noch auf der Pilgerschaft sind und in Gefahren und Bedrängnissen weilen, bis sie zur seligen Heimat gelangen."

Im Dokument über den Ökumenismus sagen die Väter aus: (2): "So ist die Kirche, Gottes alleinige Herde, wie ein unter den Völkern erhobenes Zeichen (vgl. Is 11,10-12). Indem sie dem ganzen Menschengeschlecht den Dienst des Evangeliums des Friedens leistet (Vgl. Eph 2,17-18und Mk26,15), pilgert sie in Hoffnung dem Ziel des ewigen Vaterlandes entgegen (Vgl 1Petr 1;3-9)".
(3): "Dieses Volk Gottes bleibt zwar während seiner irdischen Pilgerschaft in seinen Gliedern der Sünde ausgesetzt, aber es wächst in Christus und wird von Gott nach seinem geheimnisvollen Ratschluss sanft geleitet, bis es zur ganzen Fülle der ewigen Herrlichkeit im himmlischen Jerusalem freudig gelangt."
(5): "Die Kirche wird auf dem Wege ihrer Pilgerschaft von Christus zu dieser dauernden Reform gerufen, deren sie allzeit bedarf, soweit sie menschliche und irdische Einrichtung ist; was also etwa je nach den Umständen und Zeitverhältnissen im sittlichen Leben, in der Kirchenzucht oder auch in der Art der Lehrverkündigung - die von dem Glaubensschatz selbst genau unterschieden werden muss - nicht genau genug bewahrt worden ist, muss deshalb zu gegebener Zeit sachgerecht und pflichtgemäß erneuert werden."

Im Dokument über die göttliche Offenbarung sagen die Konzilsväter aus: (7): "Diese Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift beider Testamente sind gleichsam ein Spiegel, in dem die Kirche Gott, von dem sie alles empfängt, auf ihrer irdischen Pilgerschaft anschaut, bis sie hingeführt wird, ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, so wie er ist (vgl. 1 Joh 3,2)."

Im Dekret über das Apostolat der Laien sagt das Konzil (4): Mit Christus noch in Gott verborgen, frei von der Sklaverei des Reichtums und auf jene Güter bedacht, die ewig währen, weihen sie sich während der Pilgerschaft dieses Lebens großmütig der Aufgabe, die Herrschaft Gottes auszubreiten und die zeitliche Ordnung mit dem Geist Christi zu durchdringen und zu vervollkommnen. Inmitten der Widrigkeiten dieses Lebens finden sie Kraft in der Hoffnung, sind sie doch überzeugt, dass "die Leiden dieser Zeit in keinem Verhältnis zu der kommenden Herrlichkeit stehen, die in uns offenbar werden wird (Röm 8,18)."
und: "Während sie [Maria, die Königin der Apostel,]auf Erden ein Leben wie jeder andere verbrachte, voll von Sorge um die Familie und von Arbeit, war sie doch immer innigst mit ihrem Sohn verbunden und arbeitete auf ganz einzigartige Weise am Werk des Erlösers mit; jetzt aber, in den Himmel aufgenommen, "sorgt sie in ihrer mütterlichen Liebe für die Brüder ihres Sohnes, die noch auf der Pilgerschaft sind und in Gefahren und Bedrängnissen weilen, bis sie zur seligen Heimat gelangen".

In der Konstitution über die Kirche in der Welt von Heute (Gaudium et Spes) sagen die Konzilväter von der Kirche (1): "Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände. Ist doch ihre eigene Gemeinschaft aus Menschen gebildet, die, in Christus geeint, vom Heiligen Geist auf ihrer Pilgerschaft zum Reich des Vaters geleitet werden und eine Heilsbotschaft empfangen haben, die allen auszurichten ist."

Pilgernd auf dem Weg (40): ". So geht denn diese Kirche, zugleich‘ sichtbare Versammlung und geistliche Gemeinschaft", den Weg mit der ganzen Menschheit gemeinsam und erfährt das gleiche irdische Geschick mit der Welt und ist gewissermaßen der Sauerteig und die Seele der in Christus zu erneuernden und in die Familie Gottes umzugestaltenden menschlichen Gesellschaft. Dieses Ineinander des irdischen und himmlischen Gemeinwesens kann nur im Glauben begriffen werden, ja es bleibt ein Geheimnis der menschlichen Geschichte, die bis zur vollen Offenbarung der Herrlichkeit der Kinder Gottes durch die Sünde verwirrt ist. In Verfolgung ihrer eigenen Heilsabsicht vermittelt die Kirche nicht nur den Menschen das göttliche Leben, sondern lässt dessen Widerschein mehr oder weniger auf die ganze Welt fallen, vor allem durch die Heilung und Hebung der menschlichen Personwürde, durch die Festigung des menschlichen Gemeinschaftsgefüges, durch die Erfüllung des alltäglichen menschlichen Schaffens mit tieferer Sinnhaftigkeit und Bedeutung."
(45): "Alles aber, was das Volk Gottes in der Zeit seiner irdischen Pilgerschaft der Menschenfamilie an Gutem mitteilen kann, kommt letztlich daher, dass die Kirche das
'allumfassende Sakrament des Heiles' ist, welches das Geheimnis der Liebe Gottes zu den Menschen zugleich offenbart und verwirklicht."
(57): "Die Christen müssen auf der Pilgerschaft zur himmlischen Vaterstadt suchen und sinnen, was oben ist (Vgl. Kol3,1-2); dadurch wird jedoch die Bedeutung ihrer Aufgabe, zusammen mit allen Menschen am Aufbau einer menschlicheren Welt mitzuarbeiten, nicht vermindert, sondern gemehrt."

Im Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche wird ausgesagt: (2): "Die pilgernde Kirche ist ihrem Wesen nach "missionarisch" (d. h. als Gesandte unterwegs), da sie selbst ihren Ursprung aus der Sendung des Sohnes und der Sendung des Heiligen Geistes herleitet gemäß dem Plan Gottes des Vaters."
Und in der Erklärung über die Religionsfreiheit sagen die Bischöfe (12): "Somit verfolgt die Kirche in Treue zur Wahrheit des Evangeliums den Weg Christi und der Apostel, wenn sie anerkennt und dafür eintritt, dass der Grundsatz der religiösen Freiheit der Würde des Menschen und der Offenbarung Gottes entspricht. Sie hat die Lehre, die sie von ihrem Meister und von den Aposteln empfangen hatte, im Laufe der Zeit bewahrt und weitergegeben. Gewiss ist bisweilen im Leben des Volkes Gottes auf seiner Pilgerfahrt - im Wechsel der menschlichen Geschichte - eine Weise des Handelns vorgekommen, die dem Geist des Evangeliums wenig entsprechend, ja sogar entgegengesetzt war; aber die Lehre der Kirche, dass niemand zum Glauben gezwungen werden darf, hat dennoch die Zeiten überdauert."

 

3.5. Der einzelne als Christ

Die Urchristen wurden nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte "Anhänger des Weges" (Apg 9,2) genannt, weil sie Jesus als "den Weg" (Joh 14,6), und seine Lehre als "den neuen Weg" verstanden.
Der Christ befindet sich ständig auf Pilgerschaft. Er ist ja getrieben, Gott zu finden und seine Erlösung, und in diesem sein eigenes Heil. Denn für den Christ ist diese Welt kein Zuhause: die wahre Heimat ist im Himmel "Denn wir haben hier keine Stadt, die bestehen bleibt, sondern wir suchen die künftige. (Hebr 13,14)".

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Christ-sein ist das in-und-mit-Christus-sein: Zuhause-sein im Aufbruch stets mit Christus, ohne an der Vergangenheit hängen zu bleiben und das Morgen vorauszuplanen: nur mit IHM im Aufbruch sein.
Christsein ist vom Heiligen Geist erfüllt die Türen öffnen und geführt von ihm auf der Straße marschieren und fremde Völker aufsuchen.
So ist das Leben des Christen ist das der Kirche: Das Leben ist der Weg mit Ziel Himmlisches Jerusalem, wo immer es zu finden ist.
Der Christ beginnt die Pilgerschaft zu erfahren, wenn er von seiner Wohnung zum Gottesdienst geht. Noch intensiver wird diese Erfahrung für den Christ, wenn er sich zum einem besonderen Gebets-Ort begibt. Ganz intensiv, wenn er dies innerhalb einer organisierten Wallfahrt tut. Ebenso intensiv, wenn er am Ziel viele Angekommene antrifft und mit ihnen feiert.
Wird allerdings das Aufsuchen eines Gnaden-Ortes alleiniges religiöses Tun, so verfehlt der Christ seine eigentliche Berufung, im Alltag auf dem Pilgerweg zu Jesus Christus zu sein. Daher wird "Wer viel pilgert, selten heilig" (Thomas von Kempen in seiner "Nachfolge Christi)"

4. Das Pilgern

4.1. Weg: Bild der Pilgerschaft

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Jeder Weg zu einem Heiligtum, einem Ort der Kraft, zu einem besonderen Ort, ist zuerst ein Weg, ein Hingelangen.
Die Fahrt zu einem Grab des Idols, oder zum Ziel eines Events z. B. in einem Stadium, die Besteigung des Berges, z.B. des Montblanc in Frankreich, die Anfahrt zu einem religiösen Jugendtreffen wie z. B. Pfingstwallfahrt der Jugendlichen nach Baumburg, der Weg zu einem seltenen großen Diözesanfestgottesdienst, oder der Gang innerhalb einer betenden Gemeinschaft zu einem Wallfahrtsort, alle diese Wege haben das besondere, dass sie Ausnahme-Wege des Alltags sind, und zu einem nicht Alltäglichen Ziel führen.
Es gibt auch rein geistig-seelische Pilgerwege: so z. B. die innere Suchbewegung nach Spuren innerster Seelenräume, um heilsame Selbsterfahrungen und Heilerfahrungen zu machen. Dies kann geschehen mit einem Psychotherapeut, es kann aber auch geschehen bei der Vorbereitung zu einem Schuldbekenntnis innerhalb einer Beichtevorbereitung.
Für dieses rein geistige ist es sehr hilfreich, auf einem Weg zu sein, eine Traumreise, oder ein Spaziergang, oder ein längerer Gang innerhalb einer Wallfahrt.

 

4.2. Weg: Unterwegssein

4.2.1. Beschluss: Festlegung, dass ...

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Vor der Wallfahrt, zu aller erst, steht der Entschluss, sich auf den Weg zu machen.
Dieser ist Ergebnis aus der Sehnsucht nach Abenteuer (und sei es nur in der Erfahrung des Anderen und Neuen), nach Selbstbestätigung im Austesten seiner eigenen Grenzen, nach Heilung von seinem Leiden.
Der Entschluss kann aber auch aufgrund einer Einladung, die angenommen wurde, entstehen.
Ebenso kann das Motiv zum ersehnten Einsseins mit Gott so stark werden, dass der Entschluss gefällt wird, wie z. B. als Hoffnung auf Erhalt des verloren gegangenen Glaubens, als Sehnsucht nach Verwurzelung in den Glauben der Apostel, als Buße zur Tilgung der Schuld, die man auf sich geladen hat, als Kraft für die Heiligung (Sehnsucht, nach Gott ausgerichtet zu sein), als Schlüsselerlebnis für mystische Einigung mit Gott, oder schlicht und einfach als großer Dankerweis an Gott.
Zuletzt, was wir von russischen Mönchen kennen, die Nachfolge Jesu, der Wanderprediger war ("Der Menschensohn hat nichts, wohin er sein Haupt legen sollte" Lk 9,58), nachzuahmen und ständig auf fremden Weg sich zu befinden, ohne Besitz, ja sogar ohne Sicherheit nach einem festen Gast-Heim.

4.2.2. Hoffnung: Planen

Der erste Akt der Pilgerfahrt reifte im Herzen heran. Dort kann er, je größer die Pilgerreise sein wird, jahrelang verborgen bleiben.
Will aber der Entschluss verwirklicht werden, wird zuerst der Zeitpunkt der Wallfahrt festgelegt. Dann wird die nötige Ausrüstung bereitgelegt: sei es an Kleidung (Schuhe, Sport-, Regen-, Sonnenkleidung), wie an Hilfsmittel (Fahrrad, Rucksack, Auto oder Bahnkarte zur Anreise).
Zugleich wird das Kartenmaterial besorgt, der Wanderführer durchgeschaut und Literatur über Kunst und Leute gelesen, dass man, bei Wallfahrt in fremdes Gebiet, nicht ganz unwissend eintrifft.
Verkostet wird von jedem Pilger das Gefühl, das vor der Pilgerreise auftritt, sei es die subtile Angst über das Ungewisse, oder die leicht spürbare Freude auf das Kommende.

4.2.3. Beginn: Aufbruch romav.gif (456 Byte)

Am Tag eins der Pilgerreise steht, das eigene Haus zu verlassen. Abschied wird genommen, Ungewisses beginnt. Die guten Wünsche begleiten den Pilger: War es im Mittelalter durchaus noch lebensgefährlich, zu einem Wallfahrtsort zu ziehen, so ist heute die Krankheit, der plötzliche Tod durchaus noch ein Ungewisses, was den Pilger ereilen kann.
Ist das eigene Haus verlassen, bewegt sich der Pilger in neuer Umgebung. Und je anders diese Umgebung ist als die Welt seines Heims und Arbeitsplatzes, um so mehr Ungewohntes und Unbekanntes entdeckt der Pilger an sich selbst: vor allem ihm fremde Verhaltensweisen. Freilich, der Pilger wird nicht ein anderer, er entdeckt diese kleinen und wenigen Veränderungen nur, wenn er Stille und Hinhören, Hinschauen beim Pilgern übt.
In der Anreise ist eine Phase des Übergangs: noch im Stil des Alltags, denn man entbehrt fast nichts, aber auch schon im Neuen, es gibt sich in die weitere Entbehrungen einzugeben.
Die Pilgerreise benötigt hier schon, sich Gott, dem Ziel der Pilgerschaft, hinzugeben. Sonst wird es eine Studienreise, eine Reise, in der nur Objekte entdeckt werden, nicht aber man sich selber findet.

4.2.4. Drinnen: Unterwegs auf dem Weg  jak-2a.gif (1592 Byte)

Pilgerwege sind schon vor dem Pilger gegangen worden, sind ausgetretene Wege, sind ausgebetete Wege. Dieses Bewusstsein trägt, in dieser Historik will der Pilger weilen, die Früchte dieser Geschichte will der Pilger genießen. Bei großen Pilgerreisen weiß sich der Pilger mit Klassikern der Geschichte verbunden: Man denke nur an Jerusalem, Pilger von den Zeiten der Aposteln bis zu heutigen Größen der Menschheit, an Rom, von Kaisern aller Epochen, an Compostella, von der Befreiung Spanien, herbeigekämpft und gebetet, bis zu heutigen Menschen aller Nationen.

Auf dem eigentlichen Pilgerweg verliert sich der Alltag, drängt die Welt des Pilgerweges ganz an mich heran, und wenn ich offen bin, in mich hinein. Der Alttag bleibt außen vor.
Wallfahren wird heute oft wörtlich genommen: Eine Fahrt mit dem Bus zum heiligen Ort, dort ein Gottesdienst, und wieder nach Hause. Auch hier ist der Alltag schon weitgehend weggeschoben.

Aber im Schritt der eigenen Füße, im Treten des Pedals überwältigt den Pilger die Langsamkeit, ordnet der Pilger sein Gefühl dieser Langsamkeit. Er erfährt dass mit der eigenen Körperkraft doch ein Vorwärtskommen möglich ist, anderer Art und mit eigenem Maß, das er sonst nicht kennt. Denn im Alltag gibt es ein Eilen, das schneller ist, oder ein Spazieren gehen, das langsamer ist. Hier auf der Pilgerfahrt, erfährt der Pilger, dass das Maß mit Ausdauer koordiniert sein muss.

Ist der Pilgerweg länger als ein kurzer Weg zur Kapelle, vielleicht einen Rosenkranz lang, dann erfährt der Pilger die Auslieferung an die Laune des Wetters. Unangenehme Nässe durch Nebel und Regen, die so stark werden kann, dass der Pilgerweg ein jähes Ende nehmen muss, oder stechender Sonnenschein, der statt Kraft zu geben, enorm Kraft raubt und Müdigkeit aufbürdet.
Dazu noch eine Landschaft, die große Höhen überwinden muss, oder in der Ebene oft keinen Schatten spendet, wie die lange Meseta in Spanien.
Aber auch der eigene Körper ist zu spüren: Ungewohntes erfährt der Pilger im eigenen Körper: Ein gerade noch Schaffen, oder Überwindung von Müdigkeit, oder das Gegenteil, plötzliche ungeahnte Kraft.
Erfahren wird Kälte und Schwitzen, Hochleistung des Körpers, anders wie im Sport, denn allein auf dem Schwerpunkt der Ausdauer gelegt, daher Überwindung des aufkommenden Muskelkaters, Überwindung der Schmerzen aus den geschwollenen Füssen, oder mit Blasen angereicherten Füssen
Tritt Mühsal ein, empfindet der Pilger auch subtil Angst, ob er die ganze, lange und mühsame Strecke schafft. Der Pilger fühlt sich ausgeliefert dem Ungewissen.
Herausgefordert: Wetter, körperliche Grenze und Ermüdung, Angst um das Schaffen der langen und mühsamen Wegstrecke, sich ausliefern auf das Ungewisse hin.

Lenkt der Pilger den Blick von sich weg, oder wird er ablenkt von schönen Dingen, anderen er vorbeikommt, erfährt er Bereicherung von außen: Innerlich offen, lernt der Pilger staunen, was im Alltag selten nur möglich ist. Staunen Naturerlebnisse, wie Stimmung des Lichtes am Morgen oder am Abend, nach einem Regenschauer oder vor einem Gewitter, bei plötzlichem Einbruch von Föhn.
Staunen über Naturgestalten, wie Bäume, die dem Wetter trotzen, Felder, die eine Harmonie ausstrahlen, Hügel, die wie perfekte Form in der Landschaft liegen. Aber auch Bizarres, wie Steinbrüche oder Felsen begeistern der Vorüberwandernden.
Stauen über Kunstwerke von Menschen gemacht: sei es nur noch der Rest, das ehemalige Kunstwerk zu ahnen in der Ruine. Sei es eine formschöne Brücke, eine graziös geschnitztes Kreuz, eine Kirche, die durch Einfachheit das Herz berührt, oder durch Herrlichkeit die Größe Gottes ahnen lässt, sei es Dom, der durch Wucht an Kunst uns tief beeindruckt. Aber auch ein Bürgerhaus kann unser Interesse und unsere Bewunderung hervorrufen, ebenso wie ein Palast unsere Sehnsucht nach reichen und wohligem Leben weckt.
Der Schmuck der Gärten und der Schmuck an den Häusern wird vom Pilger in der Fremde wahrgenommen. Zu Hause hastet er an diesen Zeichen der Schönheit vorbei, da hat er sie tausendmal gesehen, und nimmt sie nicht mehr wahr. In der Fremde erfreut solcher Schmuck den Betrachter, weil zum erstenmal gesehen, dieser Schmuck Eindruck macht. Und je fremdartiger dieser Schmuck ist, um so tiefer der Eindruck.
Aber selbst die Menschen, dem Pilger so fremd, dass er sie zum erstenmal sieht, wahrnimmt und mustert, weil sie fremd sind, schenken uns Bewunderung: Neues und vielfältiges sieht der Pilger, Kultur anderer Art entdeckt der Pilger, Freundlichkeit nimmt er wie Seelenbalsam auf.
Religiöse Kulturzeichen, religiöses Tun der fremden Bevölkerung verweist den Pilger an Gott, und da er selbst auf dem Gott ist, Gott zu treffen, ihm zu begegnen, sie diese Zeichen besonders leicht zu erspüren.

Scheinbar stetig wird der Weg abgegangen, mit dem Fahrrad abgefahren. Aber eine innerliche Kraft triebt an: bei jedem Pilger ist im tiefen Urgrund Abenteuerlust, Neugierde auf Neues, Sehnsucht auf Fernes, Erwartung von Glück, ja manchmal von greifbaren Glückserfahrungen, Hoffnung auf Glück des Lebens, wenigstens einmal am Zielort gewesen. Ist die Not des Pilgers so groß, dass er sich zur Pilgerschaft entschloss, schwingt in seiner Seele die Hoffnung, das persönliche, individuelle und für ihn alle Probleme lösende Heil zu finden, ganz neu zu werden. Dann ringt der Pilger auf dem Weg um Glaubenskraft.

Am Abend, müde von der Tagespilgerschaft, gefüllt von vielen Eindrucken, sei es von außen oder von Innen, sei es vom Körper her oder von der Seele, wo vieles überdacht wurde, erfreut sich der Pilger der Rast. Da tut es gut, sich in Gemeinschaft beim Abendmahl zu stärken, mehr oder weniger auszutauschen. Der Pilger ist ja in einem Reifungsprozess, da will und kenn er nicht alles ausbreiten, was er bearbeitet.
Umso mehr erfreut sich der Pilger seiner Nachtruhe, und wenn es ein frisch bereitetes Bett ist, empfindet er die Wohligkeit als heilsam.

Ist der Pilger aber schon weit gereift, ist er am Ziel seines Weges, und sei es nur ein Etappenweg, erfreut sich der Pilger auf gemeinsames Gespräch, auf Austausch. Teilen will er sein Erlebtes, Trost und Unterstützung erhofft er sich von den Mitpilgern. Da kann eine mehr oder lange Sitzweile in der Runde so recht stärken, sich anders zu ordnen, in seinem Innersten neu zu beginnen.

Die Eindrucke sind bei mehrtätiger Pilgerschaft viele und in der Mehrzahl angenehm, selbst wenn Leid ertragen wurde, ist es ja am Abend geschafft. Daher schäumt manch ein Pilger in überquellendem Leben: Aus der Seele sprudelt Dank und Singen und Lob hervor, Bekenntnis über die empfangenen Wohltaten wird jedem verkündet. Die religiöse Schweigsamkeit im Alltag wendet sich nun in lobende Verkündung. Hier erfährt der Pilger an sich die Lebendigkeit religiösen Tuns: eine Gelegenheit, neu zu beginnen für das weitere Leben.

Was aber hervorquillt, braucht seine Ruhe, sein Reifen. So erfährt der Pilger auf dem Weg im gleichmäßigen Schritt, im gleichmäßigem Treten des Pedals, eine innerliche Stille, ein Schweigen von Worten. Und der Pilger hat die Kraft, weil Schreiten bzw. Treten ein Gleichmaß im Köper Grund legt, was frei für den Geist macht, zu Grübeln, abzuwägen, überdenken und nochmals anders zu überdenken, bis er eine Entscheidung fällen und festigen kann. In den Kirchen wird ihm die Bilderwelt zur Meditation, oder eine Pause gibt ihm Gelegenheit, im Wort Gottes der Bibel zu Lesen und die Worte zur Meditation zu nützen. Allein, weil das Gespräch wegen des Gleichmaßes verstummt, findet der Pilger zu sich selbst, wird ihm der Weg zur Gleichniserfahrung des Lebensweges.

Aber auch in betender Gemeinschaft, wo laut das Gebet im Rhythmus des Rosenkranzes oder Litanei, "geh mit uns" runtergebetet wird, tut die Ruhe des inzwischen gewohnten Schrittes gut, tut der immer gleiche Rhythmus gut. Das Empfinden stellt sich ein: "Es" geht. Dadurch wird Seele und Geist frei, sich zu ordnen.

Die Mönche haben auf ihrem Pilgerweg des Lebens die Einfachheit, die durch das Gehen gefördert wird, noch weiter verstärkt. Die Nahrung wird auf Einfaches eingestellt: Brot, Suppe, Obst und Tee. Kein Alkohol, kein Nikotin, Keine Gaumenerfrischung wie Eis, kein Aufputschmittel, wie Redbull oder nur Schokolade. So kann der Pilger bewusst auch die Einfachheit durch Askese verstärken: Er sucht keine Gaststätte auf, er meidet Kioske, Geschäfte werden nur, aufgesucht, wenn Verpflegung besorgt werden muss, die Orte werden nicht besichtigt, außer was der Weg schenkt beim Durchschreiten. Das Zügeln der Zunge wird durch bewusstes langes Schweigen geregelt. Am Nachtlager wird auf vermehrte Bequemlichkeit verzichtet, ein einfaches Ruhelager direkt auf dem Boden genügt.

Ist der Pilger mit der Gruppe unterwegs, übt er sich mit Diensten: Musizieren, in der Herberge Sanitäts-, Reinigungs- und Besendienst, Vorbereiten der Brotzeiten im Stillen Brotschmieren. Diese Einfachheit hilft, das andere, alternative Leben zu entdecken.

Jeder Pilger auf seinem Weg erlebt Einsamkeit, Alleinsein und zugleich Begegnung: Es ist ein eigenartiges wechselhaftes Spiel der Beziehungen: Er begegnet im Alleinsein sich selbst, in der Begegnung einem Anderen, im Gebet Gott.
Wandert der Pilger im losen Gruppenverband, so entsteht ein Beziehungspiel mit der Gruppe: Mal geht er mit ihr, mal ist er verlassen von ihr, mal drängen Mitglieder der Gruppe ihn vorwärts, mal erlebt er nach Verlust das Wiederauffinden der Gruppe. So wird er mal in der Gruppe getragen von gemeinsamen, geführtem Gebet, mal beherrscht vom verordnetem Schweigen, mal zerstreut vom leicht dahin plätscherndem Gespräch. Ist er aber weg von Gruppe, ist er ganz auf sich gestellt.

Ganz auf sich gestellt, hat der Pilger Zeit, den eigenen Horizont durch all die Eindrücke auf der Pilgerreise erweitern zu lassen, sein eigenes Gewohntes zu hinterfragen, sich vom Fremden Sicherheit geben zu lassen, kurz, sich verändern zu lassen.

Jeden Morgen nach der Nachtruhe erlebt der Pilger wiederum Hoffnung; Geordnet wird diese Hoffnung durch gemeinsames Gebet, gestärkt durch Segen aus dem Gebet.
Folgt der Pilger auf dem Weg der Pilgerschaft der Spur Gottes, so versucht er zu beten: Glück, wenn der Pilger die Technik der Tagzeitengebete beherrscht, am Morgen Christus als das Licht des Neuen Bundes, des Neuen Menschsein preist, zu Mittag den Heiligen Geist anruft und zu Abend Christus als das nie erlösende Licht preist. Bewegt sich der Pilger in der religiösen Gruppe, ist ihm dabei Geistlicher Impuls eine Hilfe, meditatives Gebet eine Führung und Auseinandersetzung mit seiner Seelentiefe, ein Schriftlesungskreis ein Eröffnen von Gottes Wort, das mit ihm selber zu tun hat, eine Eucharistiefeier oder ein Abendmahl eine Feier mit Gott, eine Komplet ein Abschluss des Tages in Gott hinein und schließlich das Gehen ein verkörpertes Gebet.

Aber der Weg, als verkörpertes Gebet, im Rhythmus des Gleichmäßigen, öffnet die Seele, ohne dass es genaue religiöse Formen sind, die Seele. Der Pilger kann nachspüren der einfachen und elementaren Frage: "Wozu bin ich auf Erden?" In diesem oft unterbewusstem Fragen entdeckt der Pilger das transzendentale Leben in ihm, das Leben, das über sich selbst hinausweist. So sucht der Pilger auch und findet es ein Stück, die Gegenbewegung in seinem Leben, den Sinn von seinem Leben, das Mysterion (tief innerliche Geheimnis) seines Lebens. Der Pilger will ja seinem Glauben neue Dimension verleihen, und so macht er sich auf die Suche, eine ihm eigene, neue und echtere (ohne Masken) Ausrichtung auf ein geistliches Ziel hin, auf ein Ziel, wo er schlussendlich und endgültig erwartet wird. Der Pilger übt sich sein Leben auf Gott (wie immer er ist) auszurichten und ihn in das eigene Leben eingreifen zu lassen, ihn einzulassen im eigenen Herzen.

Der Christ besinnt sich auf seine Taufe und seine Firmung, und versucht zu beantworten, wozu das war ist welche Wirklichkeit das im eigenen Leben ist. Und er bemerkt und fühlt seine Unzulänglichkeit. Er fühlt, dass er mit Sünden, Teilen seines Seins, die von Gott abgesondert sind, beladen zum Heiligen Ort zieht: Und er hofft auf Heil seiner Seele. Darum bemüht er sich, seine Sünden in der Feier des Bußsakramentes spätestens am Heiligen Ort zu bekennen.

Auf dem Weg sein:
Das Nötigste dabei haben:
Dem Weg folgen:
Am Rastplatz ruhen:
Luft und Batterie-Strom sparen:
Nur mit den Füßen vorwärts:
Die Hände falten:
Sich auf den Stab stützen:
Blumen dem Gastgeber schenken:
Gehen
Tragen

Nachspüren dem wohin und woher
Ausrasten vom Alltag
Schweigen und hören
Langsam werden
Gebetshaltung einnehmen
Halt finden
Ehre geben
- Gott entgegen
- die Lasten des Lebens vor Gott hintragen
- die Wurzeln des Lebens suchen
- Kraft sammeln für die Zukunft
- in mein Innerstes hineinhorchen
- offen werden für Gottes Ewigkeit
- sein Leben zum Gebet machen
- Christus als Stütze annehmen
- nicht sich, sondern Gott die Ehre erweisen

4.2.5. Erreichen: Zielort

Der Zielort ist der Ort der Mystischen Geschichten: Erzählungen und Legenden, die in die Seelentiefe gehen, werden vorher schon gelesen und gehört, in Herzen erwogen, aber am Ort intensiv erlebt im Hier und Jetzt. So sind die erreichten Heiligtümer Orte der Kraft. Der eine spürt es, weil der Ort schlicht und einfach durch seine Kunst und sein religiöses Treiben überzeugt, der andere spürt die Kraft, indem seine Kritik am Leben und vielen Dingen des Lebens verstummt. Der Esoterische braucht seine ihm eigenen Hilfsmittel, wie Kraftmessungsinstrumente (Pendel, Wünschelrute), um die Kraft endgültig für sich wahrzunehmen.
Die Pilger, die Erzählen und berichten, die bekennen, werden oft als Propheten erfahren werden, die Feier der Liturgie (offizieller Gottesdienst) und jedes Gebet wird an diesem Ort als Quelle der Mystik erfahren.

Dem Christen wird in der Beichte dort am Heiligen Ort die Sündenvergebung zuteil. Am Heiligen Gnadenbild, am Heiligen Grab, erfährt der Christ die Ehre, die seinem Gott gebührt, denn dort wird Gott Vertrauen und Glauben und Lob bereitet.
Dennoch, es darf nicht vergessen werden, sonst ist das Leben nach der Pilgerfahrt eine Enttäuschung: Jeder heilige Ort ist nur ein Zeichen, ein Unvollständiges, ein Vorläufiges gegenüber dem eigentlichen, ewigen Ziel, das Gastmahl mit Gott im Himmel, das Verweilen mit Jesus in der Himmlischen Stadt Jerusalem, wo keine Träne mehr sein wird.

4.2.6. Abschied: Rückkehr in die Welt

Sei die Zeit auch noch so lang am Heiligtum, sei sie so kurz dass es gerade die Länge eines Vaterunsergebetes hat, es heißt immer, zur Rückkehr aufzubrechen. Die Rückkehr ist immer anders wie die Hinkunft. Schon der Abschied ist ganz anders: Erreichtes schwingt im Herzen mit. Es muss nicht die intensive Erfahrung der drei Weisen aus dem Morgenland sein, die die Weisung durch einen Engel bekamen, einen anderen Weg zu nehmen (Mt 2,12).
Der Rückweg ist anders als der Hinweg, weil Weg zurückgeht, rückwärts läuft. Da hat der Jakobsweg etwas besonderes: seine Schilder zeigen nur den Hinweg auf.,
Den Rückweg auf der Karte gefolgt und problemlos vorwärts gestrebt, ist doch anders als der Hinweg, weil jetzt ein Paket der Erfahrungen und Veränderungen dabei ist, weil Schönes geschaut wurde, wie bei den drei Jüngern am Berg Tabor (am liebsten wären die drei Jünger dort geblieben, Mk 9,5)
Anders aber auch, weil neuer Mut gefasst wurde. Diese Erfahrung wird durch die Tatsache bestärkt, dass Strapazen bald ein Ende nehmen werden.

4.2.7. Gedächtnis: Aus der Erfahrung leben

Wieder in den Alltag zurückgekehrt, ist die Wallfahrt, die Zeit der Pilgerschaft wie eine kostbare Perle der Erinnerung im Leben dabei. Da schwingt die erfahrene Kraft Gottes als Anker des Lebens mit. Der ehemalige Pilger weiß, sich Gott anvertraut zu haben. einen Meilenstein in seiner Gottesbeziehung gelegt zu haben, ähnlich wie Jakob, der Sohn Isaaks, in Bet-El (Gen 35,7+14) ,
Die Zeit danach ist aber auch ein Auftrag: der überlegte und in der Entscheidung festgemachte Neuanfang soll gelebt werden, jetzt im Alltag, wo die alten Rollen sprichwörtlich das Neue niederwalzen wollen. Die Zeit der Pilgerschaft will reflektiert und als neues Leben gelebt werden.
Zu diesem Leben hilft das sich Erinnern an das geänderte Bild von sich selbst und seinem Leben, das sich an die Beispiele von gelebtem Leben erfreuen, von denen andere Pilger und alte Bilder in den Kirchen erzählt haben.
Unweigerlich aber wird nach der Pilgerschaft mit dem Bewusstsein gelebt: Das in das Transzendentale neigende wurde verstärkt. Dieses auszubauen bleibt als bewusste Möglichkeit: Es kann auch ganz anders sein. Und eine letzte Möglichkeit als Frucht aus der Pilgerschaft begleitet das Leben: die Hoffnung, sich zu ändern. und so das ganze Alltagsleben als Pilgern verwirklichen.

4.3. Radpilgern
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Immer mehr Wallfahrer machen sich in unseren Tagen mit dem Fahrrad auf den Weg der Pilgerschaft. Besonders weite Strecken werden bevorzugt mit dem Rad gemacht. Auch strecken, an denen viel Betrieb herrscht, werden mit dem Fahrrad bevorzugt. Man kann sich als Gruppe zusammenfinden, um mit dem Fahrrad eine Wallfahrt zu unternehmen, oder als Einzelpilger.

Je weiter der Weg zu der Wallfahrtsstätte oder des Abschnittes des Europa weiten Jakobspilgerweges ist, um so größer sind auch hier die Vorbereitungen. Wer eine mehrtägige oder gar mehrwöchige Wallfahrt mit dem Fahrrad unternimmt, muss nicht nur Quartiere sorgen, sondern muss vorher sein Pilgerprojekt sich soweit vertraut machen, dass er Anreise, vielfältige Übernachtungsmöglichkeiten (Fußgänger könnten bevorzugt werden) und Wegbeschaffenheit vorher ins Auge fasst.

Reist der Pilger mit einer Vielzahl von Radpilgern, wird er erleben, dass die Gruppe sich oft auseinanderzieht. Daher ist das gemeinsame Beten und Singen beim Fahren häufig nur in einem sehr beschränkten Maß möglich. Die erste Einschränkung zeigt sich in der Vielfalt der Gebete, weil keine Bücher benutzt werden können, um nicht die Sicherheit zu gefährden. So wird man sich, wenn überhaupt, auf wenige Strophen bekannter Lieder und auf Gebete wie den Rosenkranz oder Litaneien beschränken, für die man kein Buch benötigt. Doch sollten es auch während des Fahrens Zeiten der Stille geben, in denen jeder einzelne bestimmten Gedanken nachgehen oder für gewisse Anliegen beten kann. Man sollte vermeiden, dass man sich unterwegs während festgesetzter Gebetszeit unterhält.

Ist man allein, muss man schon ein geübter Beter sein, das ein rituelles Gebet, wie Rosenkranz gelingt. Eher geht schon eine Art Herzensgebet, immer wieder die Lieblingsanrufung, die einem liegt. Oder ein Lobspruch, für alles Schöne das man sieht, und auch Mühsame, das man erlebt.

Wichtig sind bei der Pilgerfahrt mit dem Fahrrad Stationen auf dem Weg, an denen man sich als Gruppe sammelt, oder wenn man allein ist, sich selber sammelt. In der Gruppe betet und singt man am Stationsort miteinander und bestimmte Texte werden für die Meditation unterwegs vorstellt oder ein Anliegen wird angegeben, das man auf die weitere Pilgeretappe mitnimmt.

Ist man allein, lässt man die Kirche, ihre Bildersprache, ihr Gebet, das dort Beter verrichten auf sich einwirken. Dann kann man eine Meditation machen, ein Wort Gottes aus der Bibel, oder ein Heiligenleben meditieren. Mit der Frucht der Meditation, was man darin für sein Leben erkannt hat, oder als Frage für sein Leben mitnimmt, geht man wieder auf den Weg. Siehe auch Anregung zur Meditation von Fr. Karin Johne www.autobahnkirche.de/spirit-container/biblisches/jakobus/HTM/bibel_e.htm

Als Stationen können Kirchen in Orten, durch die man fährt, dienen, aber auch Wegkreuze, Bildstocke, Waldlichtungen oder größere Plätze auf einem Bauernhof, auf denen bei Gruppen vielleicht auch eine kleine Stärkung vorbereitet werden kann.

Macht man eine kleine Radwallfahrt in der Heimat, ist es ratsam, dass nicht nur der Weg zum Wallfahrtsort mit Gebeten und Liedern gestaltet wird, sondern auch der Heimweg. Am Wallfahrtsort selbst sollte nach Möglichkeit die Gelegenheit zu gemeinsamen Gottesdiensten gegeben werden. Wenn es sich um eine kleine Gruppe von Radfahrern handelt, können die Pilger entweder an einem fremden Gottesdienst teilnehmen oder - wenn kein Priester zur Verfügung steht - miteinander einen Gebetsgottesdienst halten, vielleicht die Vesper dort beten. Notwendig ist es immer, diese Gebetszeiten mit dem zuständigen Pfarramt oder Wallfahrtsbüro abzustimmen.
Gerade bei einer Radfahrerwallfahrt erscheint es sinnvoll, sich mit den Rädern vor der heimatlichen Pfarrkirche zu versammeln, um bewusst mit dem Reisesegen zu starten. Die Wallfahrt sollte auch wieder in der Heimatkirche mit einem Dankgebet und vielleicht mit dem Lied "Großer Gott, wir loben dich" schließen.

So ist eine Wallfahrt mit dem Fahrrad mehr als nur ein Fahrradausflug. Weg und Verweilen am Pilgerort können bei guter Gestaltung, wie jede andere Wallfahrt auch, zu einem geistlichen Erlebnis werden.


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